Seit Myron Krueger Anfang der 80er Jahre den Begriff "artificial reality" geprägt hat
und sein Videoplace zum Gegenmodell der Mainstream-VR-Entwicklung wurde,
ist einiges im Bereich der interaktiven Kunst passiert. Was ganz
allgemein an Intertime auffällt, ist die Unmöglichkeit einer
Zuordnung in die herkömmlichen Kategorien einer idealistischen,
kritischen oder fatalistischen Position. Das kybernetische Prinzip des
Setups schließt eine externe Beobachterposition aus und kippt die
Rezipienten in eine virtuelle Arena, wo sie mittels
Körpertechnologien (vgl. Marcel Mauss, 1978) mit der spielerischen
Reorganisation von Informationen beschäftigt sind. Aber wie in
jedem Spiel gibt es auch hier die Korrespondenzen zur sozialen
Wirklichkeitserfahrung. Die vorgegebene An-Ordnung - also eine Art
Mikromodell eines sozialen Raums - lässt die Spielteilnehmer als
zugleich Kontrolleure und Kontrollierte reagieren. Sulzbacher
thematisiert mit dieser Arbeit nicht nur die Relativität
raumzeitlicher Erfahrung, sondern auch die Relationen mit dem
menschlichen Körper im Zusammenhang neuer Raumstrukturierungen
unter den aktuellen Produktions- und Wahrnehmungsbedingungen.
Als konstituierenden Teil hat der Künstler Markus Sulzbacher ein
tragbares Interface entwickelt. Über ein ´augmented reality
system´ und mittels Fußsensorik können die Betrachter
ihre je visuelle Raumwahrnehmung beschleunigen oder verlangsamen,
zwischen den unterschiedlichen Wahrnehmungsbildern switchen,
körpereigene Bewegungen im Raum über das Bild abstimmen oder
sich von Bedingungen im real life virtuell abkoppeln. Im Prinzip ganz so
wie auch das Verhalten in sozialen Räumen abläuft, die in
einem zirkulär wechselseitigen Verhältnis mit ihren Nutzern
permanent neu formiert werden. Platzierung des je eigenen Körpers
ist einerseits ein antizipierender Akt und anderseits auch ein
Verhalten, das sich an den antizipierten Grenzen der Wahrnehmung anderer
ausrichtet (vgl. Breidenstein, 2004). Der Begriff Kontrollgesellschaft
gewinnt unter diesem Aspekt an Kontur: institutionalisierte
räumliche An-Ordnungen sind nicht nur umkämpft, sondern wirken
auch auf die Körper zurück.
Markus Sulzbacher verzichtet darauf, sich mit seiner Arbeit explizit auf
ein Thema festzulegen. Er konzentrierte sich auf das Interface-Design
und verweist mit seiner Zurücknahme auf die Autonomie der
involvierten Rezipienten. Nicht zuletzt mit den Möglichkeiten
spielerischer Erfahrung ist Intertime eine Widerrede auf die
kognitiv-rationalistische Verkürzung von Subjektivität und
somit auch Anzeige für einen ´somatic turn´ in der
interaktiven Kunst. (F.E. Rakuschan)