INTERTIME, Videoinstallation, 2004

Seit Myron Krueger Anfang der 80er Jahre den Begriff "artificial reality" geprägt hat und sein Videoplace zum Gegenmodell der Mainstream-VR-Entwicklung wurde, ist einiges im Bereich der interaktiven Kunst passiert. Was ganz allgemein an Intertime auffällt, ist die Unmöglichkeit einer Zuordnung in die herkömmlichen Kategorien einer idealistischen, kritischen oder fatalistischen Position. Das kybernetische Prinzip des Setups schließt eine externe Beobachterposition aus und kippt die Rezipienten in eine virtuelle Arena, wo sie mittels Körpertechnologien (vgl. Marcel Mauss, 1978) mit der spielerischen Reorganisation von Informationen beschäftigt sind. Aber wie in jedem Spiel gibt es auch hier die Korrespondenzen zur sozialen Wirklichkeitserfahrung. Die vorgegebene An-Ordnung - also eine Art Mikromodell eines sozialen Raums - lässt die Spielteilnehmer als zugleich Kontrolleure und Kontrollierte reagieren. Sulzbacher thematisiert mit dieser Arbeit nicht nur die Relativität raumzeitlicher Erfahrung, sondern auch die Relationen mit dem menschlichen Körper im Zusammenhang neuer Raumstrukturierungen unter den aktuellen Produktions- und Wahrnehmungsbedingungen.
Als konstituierenden Teil hat der Künstler Markus Sulzbacher ein tragbares Interface entwickelt. Über ein ´augmented reality system´ und mittels Fußsensorik können die Betrachter ihre je visuelle Raumwahrnehmung beschleunigen oder verlangsamen, zwischen den unterschiedlichen Wahrnehmungsbildern switchen, körpereigene Bewegungen im Raum über das Bild abstimmen oder sich von Bedingungen im real life virtuell abkoppeln. Im Prinzip ganz so wie auch das Verhalten in sozialen Räumen abläuft, die in einem zirkulär wechselseitigen Verhältnis mit ihren Nutzern permanent neu formiert werden. Platzierung des je eigenen Körpers ist einerseits ein antizipierender Akt und anderseits auch ein Verhalten, das sich an den antizipierten Grenzen der Wahrnehmung anderer ausrichtet (vgl. Breidenstein, 2004). Der Begriff Kontrollgesellschaft gewinnt unter diesem Aspekt an Kontur: institutionalisierte räumliche An-Ordnungen sind nicht nur umkämpft, sondern wirken auch auf die Körper zurück.
Markus Sulzbacher verzichtet darauf, sich mit seiner Arbeit explizit auf ein Thema festzulegen. Er konzentrierte sich auf das Interface-Design und verweist mit seiner Zurücknahme auf die Autonomie der involvierten Rezipienten. Nicht zuletzt mit den Möglichkeiten spielerischer Erfahrung ist Intertime eine Widerrede auf die kognitiv-rationalistische Verkürzung von Subjektivität und somit auch Anzeige für einen ´somatic turn´ in der interaktiven Kunst. (F.E. Rakuschan)